Die Bertelsmann Stiftung hat untersucht, wie die Einführung einer gesetzlich verankerten Bildungszeit dazu beitragen kann, Weiterbildungen in Deutschland zu fördern. Durch Weiterbildungsangebote, die über betriebliche Maßnahmen hinausgehen, kann zum einen die individuelle Beschäftigungsfähigkeit verbessert werden. Zum anderen wird ein Beitrag dazu geleistet, aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen anzugehen, wie den Fachkräftemangel und soziale Ungleichheiten.
Wichtige Ergebnisse im Überblick
Die Studie, die im April 2024 veröffentlicht wurde, zeigt eine erhebliche Diskrepanz zwischen geringqualifizierten Beschäftigten und höher qualifizierten Arbeitnehmenden. Im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS) wurden 3.630 Erwerbstätige im Alter von 30 bis 59 Jahren befragt.
- Laut der Studie sind etwa 30 Prozent der geringqualifizierteren und einkommensschwächeren Beschäftigten an einer Weiterbildung interessiert, nur 6,5 Prozent haben jedoch einen konkreten Plan dafür.
- Zudem gaben 73 Prozent an, keine Freistellung ihres Arbeitgebenden zu erhalten und etwa der Hälfte der Befragten fehlt es an ausreichend Informationen über ihre Weiterbildungsmöglichkeiten.
- Hochqualifizierte Arbeitnehmende hingegen haben der Studie zufolge einen besseren Zugang zu Weiterbildungen, ihnen fehle aber vor allem Zeit dafür.
- Insgesamt wird deutlich, dass insbesondere diejenigen, die am stärksten von beruflicher Fortbildung profitieren könnten, am wenigsten daran beteiligt sind und vor größeren Hindernissen stehen.
Bildungszeit für mehr Chancengerechtigkeit
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, schlägt die Studie ein Konzept der Bildungszeit vor, mit dem sich Arbeitnehmende bis zu einem Jahr in Vollzeit oder bis zu zwei Jahre in Teilzeit bei einkommensabhängigem Lohnersatz freistellen lassen können. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die Chancengleichheit zu fördern und mehr Menschen die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Als zentrale Handlungsempfehlungen für die Bildungszeit in Deutschland wird vorgeschlagen, bessere finanzielle Unterstützung während der Bildungszeit zu gewährleisten sowie Informationen über Weiterbildungsangebote besser zugänglich zu machen und persönliche Beratungen für Interessierte zu stärken. Außerdem wird eine intensivere Unterstützung durch den Arbeitgebenden hervorgehoben und für eine Vielzahl an Weiterbildungsmaßnahmen mit nachweisbarem Arbeitsmarktbezug plädiert.
Insgesamt zeigt sich die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes für die berufliche Bildung, einschließlich einer besseren Koordination zwischen Arbeitgebenden, Beschäftigten und Bildungsanbietern sowie der Entwicklung passgenauer Bildungsprogramme, die die Bedürfnisse und Beschränkungen verschiedener Berufsgruppen berücksichtigen und insbesondere auch gering qualifizierte Arbeitnehmende in den Blick nehmen. So können nicht nur individuelle Beschäftigungsmöglichkeiten verbessert werden, sondern gleichzeitig dem Fachkräftemangel und Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt entgegengewirkt werden.