Susanne Möcks-Carone aus Hamburg ist eine mehrfach ausgezeichnete Executive Interimsmanagerin. Sie wird als Vorstand oder Geschäftsführerin auf Zeit berufen, wenn Unternehmen saniert oder transformiert werden müssen. Ihre Erfahrungen mit ganz unterschiedlichen Branchen, Betriebsgrößen und Unternehmenskulturen nutzt sie auch als Mentorin für Menschen, die ihren beruflichen Aufstieg, den Wiedereinstieg oder eine Unternehmensgründung planen. Sie engagiert sich aktuell bei der Käte Ahlmann Stiftung, dem ExpertinnenBeratungsnetz Hamburg, der Hamburg School of Business und start social.
perspektiven-schaffen.de: Was macht Wiedereinsteiger:innen als Beschäftigte für Unternehmen interessant?
Susanne Möcks-Carone: Nahezu jedes Unternehmen sieht sich heute mit der Schwierigkeit konfrontiert, gutes Personal zu finden, selbst sogenannte smarte Tech-Companies. In dieser Situation „entdecken“ heute viele Betriebe die bislang oft übersehenen Wiedereinsteigenden, die nach einer Auszeit in ein Beschäftigungsverhältnis zurückkehren möchten. Unabhängig, ob jemand in Elternzeit war, sich der Pflege von Angehörigen gewidmet oder aus anderen Gründen eine berufliche Pause eingelegt hat, wer sich für Wiedereinsteiger:innen entscheidet, gewinnt Menschen mit Lebenserfahrung, die persönlich gereift sind. Meiner Beobachtung nach sind sie vielfach hoch motiviert, gelassen, reflektiert, können besser mit Druck umgehen und ihre Zeit gut einteilen. Sie haben eine erweiterte Perspektive und schätzen das erneute Arbeitsleben.
perspektiven-schaffen.de: Was können Unternehmen tun, um die Zielgruppe der Wiedereinsteigenden anzusprechen und für sich zu gewinnen?
Susanne Möcks-Carone: Betriebe sollten ihre Haltung zum Thema überprüfen und sich folgende Fragen stellen:
Unternehmensintern:
- Was unternehmen wir, um Wiedereinsteiger:innen anzusprechen?
- Welche Arbeitszeit- und Wiedereinstiegsmodelle können wir anbieten?
- Wie gestaltet sich konkret die persönliche Begleitung und Einarbeitung von Wiedereinsteigenden?
- Wie ist das Thema Karriere im Unternehmen definiert und wem bieten sich unter welchen Bedingungen Aufstiegschancen?
- Was tun wir, um temporär ausgeschiedene Mitarbeitende weiterhin an das Unternehmen zu binden?
- Berücksichtigen wir verschiedene Altersgruppen?
- Sind die Maßnahmen aus Sicht von Berufsrückkehrenden attraktiv?
Unternehmensextern:
- Sind unsere Stellenanzeigen und Jobbeschreibungen so formuliert, dass sich Wiedereinsteiger:innen – gerade aufgrund ihrer Biografie – angesprochen fühlen?
- Weisen wir in den Stellenanzeigen darauf hin, dass Bewerbungen von Wiedereinsteiger:innen erwünscht sind?
- Werben wir in den Social-Media-Kanälen mit bereits Zurückgekehrten?
- Profilieren wir uns bei Veranstaltungen und in der Pressearbeit als modernes, diverses Unternehmen mit Perspektive?
- Nutzen wir bei der Suche nach geeigneten Bewerber:innen die Netzwerke unserer Beschäftigten?
- Tipp: Häufig kennen Mitarbeitende, die nach einer Familienphase wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrt sind, andere Personen in einer ähnlichen Lebenssituation, die ebenfalls beruflich wieder einsteigen möchten. Zudem wissen sie häufig, auf welchen informellen oder unkonventionellen Kanälen die Ansprache gelingt.
perspektiven-schaffen.de: Wie haben sich die Rahmenbedingungen in Unternehmen für Wiedereinsteigende in den letzten Jahren entwickelt?
Susanne Möcks-Carone: Die späten 1990-er Jahre markieren meiner Meinung nach einen Wendepunkt. Mit dem Vormarsch des Internets konnten Beschäftigte und freie Mitarbeiter:innen zunehmend flexibler arbeiten. Feste Arbeitsorte und -zeiten traten in den Hintergrund. Als diese Unternehmen wuchsen, versuchten sie, diese Arbeitskultur in ihre komplexer werdenden Strukturen zu transportieren. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch einmal beschleunigt. Heute ist sogar ein „Remote Restart“ möglich und Arbeiten im Homeoffice spart nicht nur Zeit und Geld, sondern kann auch den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern.
Aber auch Arbeitsplätze im Handel, in der Produktion oder Landwirtschaft, die eine Vor-Ort-Präsenz verlangen, profitieren von Wiedereinsteiger:innen. Insgesamt sind viele Unternehmen und Institutionen durchlässiger geworden und haben veraltete, starre Arbeitszeitmodelle oder Karrierepfade an die heutigen Bedürfnisse ihrer Belegschaft angepasst. Diese höhere Flexibilität geht in vielen Fällen mit einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für die Mitarbeiter:innen einher und erleichtert damit auch den beruflichen Wiedereinstieg.
Wichtig bleibt es allerdings, Erfolgsgeschichten zu präsentieren und Role Models zu promoten, um beide Zielgruppen zur Zusammenarbeit zu ermutigen, eigene positive Erfahrungen – zum Beispiel im Rahmen von Teilzeitbeschäftigung oder Jobsharing - zu sammeln.
perspektiven-schaffen.de: Was können Menschen, die wieder in den Beruf einsteigen möchten, tun, damit Arbeitgeber:innen ihren Wert als potenzielle Beschäftigte erkennen?
Susanne Möcks-Carone: Heute punktet man nicht mehr mit einem Lebenslauf, der ausschließlich die stringente Verfolgung einer Karriere dokumentiert und nichts über die Persönlichkeitsentwicklung verrät. Doch Bewerber:innen empfinden eine Phase im Lebenslauf, die augenscheinlich nicht der Weiterentwicklung der beruflichen Karriere gewidmet war, häufig als Makel und Hindernis bei der Arbeitsplatzsuche oder sie vermuten, dass Arbeitgeber:innen dies so einschätzen. Selbst wenn sie es nicht so formulieren, kommt daher oft bei einem potenziellen Arbeitgeber oder einer Arbeitgeberin die Botschaft an, „da ist jemand fachlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit und traut sich wenig zu“.
Meine Tipps an Wiedereinsteiger:innen lauten daher:
- Führen Sie sich vor Augen, dass es eine bewusste Entscheidung war, zum Beispiel in einer Familienphase Verantwortung für die Kindererziehung zu übernehmen, und jetzt die ebenso bewusste Entscheidung gefallen ist, wieder im Beruf aktiv zu sein.
- Wenn es Ihnen möglich ist, bleiben Sie während der Auszeit im eigenen Berufsfeld auf dem Laufenden und pflegen Sie Kontakte zu Kolleg:innen.
- Prüfen Sie, wo Sie zurzeit mit Ihrem Fach- und Prozesswissen stehen und wie groß gegebenenfalls das „Delta“ ist, das Sie während der Wiedereinstiegsphase überbrücken müssen. Nehmen Sie im Vorfeld Weiterbildungsmöglichkeiten oder Trainings in Anspruch, zum Beispiel bei der Agentur für Arbeit oder den landesgeförderten Beratungsstellen.
- Informieren Sie sich, welche Mentoring-Angebote es in Ihrer Region oder online gibt und nutzen Sie sie. Mentorinnen und Mentoren helfen Ihnen dabei, Interview-Situation durchzuspielen und sehen als neutrale Dritte, wo es Handlungsbedarf gibt.
- Machen Sie sich bewusst, dass auch andere Bewerber:innen eine Einarbeitungszeit benötigen.
- Bereiten Sie sich gut auf anstehende Bewerbungsgespräche vor und informieren Sie sich vorab ausführlich über das Unternehmen und die Entwicklungen in der Branche.
- Die gewonnene Klarheit lässt Sie selbstbewusster und realistischer in die Verhandlungen gehen.
- Überzeugen Sie im Interview mit neuen Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen, die Sie in der Familienphase oder Auszeit hinzugewonnen haben. Zeigen Sie auf, wie sie dem Unternehmen zugutekommen. Sprechen Sie konkret an, wieviel Zeit und Engagement Sie einbringen können und wie Sie Ihren beruflichen Wiederein- und Aufstieg gestalten möchten.
perspektiven-schaffen.de: Welche Rolle spielen Netzwerke für den beruflichen Wiedereinstieg?
Susanne Möcks-Carone: Ich habe persönlich sehr gute Erfahrungen mit realen und virtuellen Netzwerken gemacht und schätze die Möglichkeit, mich dort mit anderen auszutauschen, gute Tipps zu bekommen oder von Querverbindungen zu profitieren.
Ich bin ein großer Fan von Netzwerken und kann nur empfehlen, sich einer passenden Gruppe mit berufsbezogener Themenstellung anzuschließen. Bei der Suche nach einem Arbeitsplatz ist eine gute Vernetzung auf jeden Fall günstig, denn vielfach erfährt man so von offenen Stellen, bevor sie veröffentlicht werden.
perspektiven-schaffen.de: Frau Möcks-Carone, vielen Dank für das interessante Gespräch.