Die fortschreitende Alterung der Bevölkerung in Deutschland und ein daraus resultierender massiver Rückgang des Arbeitskräfteangebots stellen den Arbeitsmarkt in Deutschland vor eine große Herausforderung. Um dem entgegenzuwirken, sollte das Fachkräftepotenzial insbesondere von Frauen unbedingt genutzt werden: Nie zuvor gab es eine so gut ausgebildete Generation an Frauen. Voraussetzung dafür ist jedoch eine deutliche Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das gilt insbesondere für Alleinerziehende.
Inwieweit können die vom Kompetenzzentrum Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen (PQHD) entwickelten Strategien zur Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen Frauen, Mütter und insbesondere Alleinerziehende stärker in die Erwerbstätigkeit bringen? Dieser Frage geht eine Expertise nach, die im Auftrag des Kompetenzzentrum PQHD von Prof. Uta Meier-Gräwe erstellt wurde. Prof. Uta Meier-Gräwe leitete selbst bis zu ihrer Emeritierung 2018 das Kompetenzzentrum PQHD und steht dem GAPS-Projekt als Expertin zur Seite.
Die Lebenssituation Alleinerziehender – eine Balance zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit
Jede fünfte Familie ist heute eine Ein-Eltern-Familie. Alleinerziehende, insbesondere Mütter, sind oft mit finanziellen und zeitlichen Herausforderungen konfrontiert, die eine Balance zwischen Erwerbsarbeit und Sorgeverantwortung erschweren. So sind 60 Prozent der alleinerziehenden Mütter zwar erwerbstätig, häufig allerdings in Teilzeit oder Minijobs. Die Mehrheit dieser Gruppe strebt nach finanzieller Unabhängigkeit, was jedoch durch eine fehlende Unterstützung bei den vielen Aufgaben des Alltags erschwert wird. Die Expertise hebt hervor: Hier können haushaltsnahe Dienstleistungen eine wichtige Unterstützung darstellen.
Höhere Lebenszufriedenheit und positive ökonomische Effekte
Das zeigt auch ein Modellprojekt, welches in der Expertise ausführlicher vorgestellt wird. Im Projekt „Ergänzende Kinderbetreuung“ des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter e. V. (VAMV) erhielten Alleinerziehende passgenaue und flexible Möglichkeiten einer ergänzenden Kinderbetreuung. Im Evaluationsverlauf des Projektes stieg die Zufriedenheit der Alleinerziehenden der Vereinbarkeit von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit um mehr als das Doppelte an. Das Projekt verdeutlicht den großen und oft noch ungedeckten Bedarf an Randzeiten- und Notfallbetreuung für Alleinerziehende und zeigt so innovative Wege für flexible Betreuungsmöglichkeiten auf. Diese können die Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erleichtern und somit die Lebenszufriedenheit von Ein-Eltern-Familien verbessern.
Die Arbeitsmarktintegration oder -erweiterung von Alleinerziehenden hat wiederum positive ökonomische Effekte. Eine Kosten-Nutzen-Analyse illustriert dies anschaulich, indem sie Szenarien gegenüberstellt, die die Wertschöpfung mit und ohne Nutzung haushaltsnaher Dienste aufzeigen.
Potenziale von Zuschüssen für haushaltsnahe Dienstleistungen
Die Nachfrage nach Unterstützung im Alltag, wie zum Beispiel bei der Kinderbetreuung, Hol- und Bringdienste, Wohnungsreinigung oder Mahlzeitenzubereitung steigt in Deutschland bereits seit Jahren weiter an. Um diese haushaltsnahen Dienstleistungen weiter zu professionalisieren und eine gute Qualität sicherstellen zu können, würde die Einführung staatlicher Zuschüsse und Gutscheine einen wichtigen Schub leisten. Die bereitgestellten Daten und Projekterfahrungen legen nahe, dass ein strukturierter staatlicher Zuschuss für haushaltsnahe Dienstleistungen die sozioökonomische Position Alleinerziehender signifikant verbessern und gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegenwirken könnte.
Gleichzeitig könnte damit der Schwarzarbeit entgegengewirkt werden, die nach wie vor ein großes Problem im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen darstellt: Mehr als 90 Prozent dieser Tätigkeiten im Privathaushalt werden nach wie vor nicht angemeldet (IW-Kurzbericht 93). Da 90 Prozent der Beschäftigten im Haushalt laut einer OECD-Studie in Deutschland Frauen sind, sind insbesondere Frauen ohne Absicherung und Versicherungsschutz tätig. Um diese Schwarzarbeit zu beenden, könnten Zuschüsse und Gutscheine zur Professionalisierung und Qualitätssicherung der Versorgung in Privathaushalten beitragen. Außerdem werden so Beschäftigungsmöglichkeiten für Personen mit unterschiedlichen Bildungs- und Qualifikationsvoraussetzungen geschaffen.
Dabei stellen haushaltsnahe Dienstleistungen auch ein Berufsfeld für Alleinerziehende dar, das zu ihrer Lebenssituation passt. Eine Beschäftigung in haushaltsnahen Dienstleistungen bietet eine gute Vereinbarkeit durch flexible Arbeitszeiten sowie eine niedrigschwellige Möglichkeit zum beruflichen Wiedereinstieg, auch nach längerer Auszeit.
Care-Arbeit wertschätzen und Teilhabe für alle Familien ermöglichen
Die Analyse bekräftigt zudem die Bedeutung einer Infrastruktur, die Care-Arbeit ernst nimmt und wertschätzt, um nicht nur verbal, sondern auch ökonomisch eine gleichwertige Teilhabe für alle Familien zu ermöglichen. Die Expertise fordert eine bundesweit zusammenhängende Strategie zur Neubewertung und Aufwertung von Care-Berufen.