Insgesamt haben Unternehmen laut der Studie immer größere Probleme, passende und qualifizierte Fachkräfte zu finden. Dabei sind die Engpässe in geschlechtstypischen Berufen wesentlich deutlicher ausgeprägt als in Berufen, die ungefähr von gleich vielen Frauen wie Männern ausgeübt werden. Besonders groß sind die Engpässe in männertypischen Branchen. Gelingt es betroffenen Unternehmen jedoch, den Frauenanteil zu erhöhen, lassen sich die Auswirkungen des Fachkräftemangels spürbar abmildern.
Laut der KOFA-Studie ist der Frauenanteil in männertypischen Engpassberufen zwischen 2013 und 2018 um 12,8 Prozent gestiegen. Besonders stark erhöht hat sich dabei die Zahl der hochqualifizierten Frauen mit Hochschul- oder Fortbildungsabschluss. Um den Fachkräftemangel künftig auszugleichen, muss der Frauenanteil aber weiter steigen – Unternehmen sind deshalb gefordert, die spezifischen Anforderungen von Arbeitnehmerinnen stärker in den Blick zu nehmen.
Frauen brauchen auch in Männerberufen flexible Arbeitszeitmodelle
Da in den meisten Familien nach wie vor überwiegend Frauen für Kinderbetreuung und Pflegearbeit verantwortlich sind, sind sie auf flexible Arbeitszeitmodelle angewiesen. Somit ist es für Unternehmen ein entscheidender Faktor, neue Arbeitszeitmodelle anzubieten, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen und den Wiedereinstieg nach einer Familienphase fördern.
Aus den Daten der BA lässt sich beispielsweise ablesen, dass Frauen eher in männertypische Berufe gehen, wenn es in diesem Bereich Teilzeitangebote gibt. So stieg der Frauenanteil in männertypischen Engpassberufen, in denen zusätzliche Teilzeitstellen eingerichtet wurden, zwischen 2013 und 2017 um 15,6 Prozent. In Berufen ohne entsprechende zusätzliche Teilzeitmöglichkeiten sank der Frauenanteil dagegen um 0,4 Prozentpunkte.
Weibliche Vorbilder als Botschafterinnen: Mädchen gezielt für Männerberufe interessieren
Mit mehr Teilzeit-Jobs allein ist es aus Sicht der Autorinnen der Studie allerdings noch nicht getan. Langfristig sollte ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis angestrebt werden, um Fachkräfteengpässen vorzubeugen. Dafür muss frühzeitig in der Berufsorientierung angesetzt werden. Unter anderem ist es wichtig, Mädchen systematischer als bisher für ein vielfältigeres Berufsspektrum zu interessieren. So konzentrieren sich aktuell 55 Prozent aller Bewerberinnen für eine Ausbildungsstelle auf zehn Ausbildungsberufe, obwohl insgesamt mehr als 300 anerkannte Ausbildungsberufe im dualen System zur Auswahl stehen.
Hier gibt es laut der KOFA-Studie großes Potenzial für Unternehmen: Denn während es im akademischen Bereich bereits jetzt häufig gelingt, mehr Mädchen für männertypische Berufe beziehungsweise Studiengänge zu begeistern, lässt das Interesse an eher männlich geprägten Ausbildungsberufen derzeit nach. Um das zu ändern, müsste beispielsweise das Marketing spezifischer an der weiblichen Zielgruppe ausgerichtet werden. Unter anderem bringen Mädchen andere Interessen und Erwartungen als Jungen an die Ausbildung mit. Künstlerisch-sprachliche und soziale Aspekte spielen für sie eine größere Rolle.
Unternehmen können damit punkten, wenn sie aufzeigen, wie diese Interessen im Rahmen der Ausbildung eingebracht werden können. Zudem sind weibliche Vorbilder wichtig. So könnten Unternehmen, die bereits weibliche Auszubildende in männertypischen Berufen haben, als Botschafterinnen in Schulen und auf Ausbildungsmessen eingesetzt werden, um so nach und nach einen Wandel der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Berufen zu fördern.