Thomas Fischer (BMFSFJ) eröffnete die Tagung mit einer Einordnung des Projekts in das von ihm verantwortete Aktionsprogramm „Gleichstellung am Arbeitsmarkt. Perspektiven schaffen“ (GAPS). Die Potentiale zugewanderter Frauen für die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft zu entwickeln und ihnen ihre Chancen in Deutschland zu zeigen, sind gleichermaßen wichtige Ziele. Ein Projekt wie fem.point kann zudem wichtige Impulse auch für die weitere Gestaltung des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgerufenen JobTurbo zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten geben.
Dann wurden nicht nur die Projektergebnisse vorgestellt (Lilly Coenen, fem.point Projektmanagement, Goldnetz e.V.), auch wichtige institutionelle Wegbegleiter der Frauen wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF, Stefanie John), die Jobcenter (Viola Kitzing und Christina Pietsch, Jobcenter Steglitz-Zehlendorf) und die Unternehmen (Jan Bruns, IHK Berlin) kamen zu Wort und schilderten aus ihrer Perspektive die Erfahrungen mit der Arbeitsmarktintegration der Ukrainerinnen. Dr. Kseniia Gatskova, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Nürnberg gab abschließend einen Überblick zur bundesweiten Situation der ukrainischen Geflüchteten und dem Stand der Erwerbsintegration.
Anhaltender Bedarf
Seit fem.point im Juli 2022 nur wenige Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Arbeit aufnahm, wurden bereits rd. 850 Beratungen durchgeführt. Rund 90 Ukrainerinnen werden mittlerweile regelmäßig von den beiden muttersprachlichen Jobcoaches begleitet, dazu kommen täglich bis zu 12 Besucherinnen in das „Café fem.point“. Die Ergebnisse zeigen, dass der Projekteintritt z. B. die Aufnahme eines Integrationskurses beschleunigt. Auch ist das Projekt ein wichtiger Lotse durch das deutsche Behördensystem und Ankerpunkt für alle Fragen der Daseinsvorsorge. Die Frauen sind überwiegend sehr gut qualifiziert. 75% verfügen über einen Hochschulabschluss und einschlägige Berufserfahrung. Rd. 30% der Frauen konnten bereits in Arbeit vermittelt werden, überwiegend in qualifikationsadäquate Tätigkeiten. Nataliia Martynova, fem.point-Teilnehmerin, beschrieb im Gespräch mit Projektmanagerin Lilly Coenen ihren Weg zur Arbeit: Die ukrainische Krankenschwester konnte nach erfolgreichem Abschluss ihres B2-Sprachkurses zunächst als Pflegehelferin einsteigen. Sie hat die Zusicherung ihres Arbeitgebers, nach erfolgreicher Anerkennung dann als Krankenschwester beschäftigt zu werden. Ihre Empfehlung für die ukrainischen Frauen: vorhandene Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen, geduldig und hartnäckig die eigenen Ziele verfolgen und die angebotenen Chancen nutzen.
Wege im Netzwerk
Dass dies möglich wurde, ist auch der guten Vernetzung zentraler Akteure zu verdanken. Viola Kitzing und Christina Pietsch (beide Jobcenter Steglitz-Zehlendorf von Berlin) schilderten anschaulich, wie sich das Jobcenter auf die Ukrainerinnen eingestellt hat. Die schnelle Verfügbarkeit von Sprach- und Integrationskursen des BAMF wurde besonders hervorgehoben – sie war ein Eckpunkt für die erfolgreiche Vermittlungsarbeit des Jobcenters.
Stefanie John gab einen Überblick über die verschiedenen Angebote für Frauen durch das BAMF – neben speziellen Integrationskursen nur für weibliche Teilnehmende auch Projekte für Frauen u. a. die sogenannten MiA-Kurse (Migrantinnen einfach stark im Alltag) und das Berliner Frauen-Fahrradprojekt „Bikeygees“ sowie Maßnahmen im Rahmen des Programms „Integration durch Sport“. Zudem verwies sie auf die Mitwirkung des Bundesamtes im gemeinsamen Forschungsprojekt der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung.
Jan Bruns berichtete zunächst vom großen Fachkräftebedarf der Unternehmen. Eine Umfrage unter Berliner Unternehmen zeigt, dass 64% der Befragten den Fachkräftebedarf als das zentrale Bestands- und Wachstumsrisiko benennen. Dann berichtete er von den Anstrengungen der Unternehmen, die Ukrainerinnen zu integrieren. Häufig werde dies durch schwierige Rahmenbedingungen wie fehlender Kinderbetreuung, unsicherem Aufenthaltsstatus und langwierigen Anerkennungsprozessen behindert. Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen fehlten oft die Ressourcen, um diese Herausforderungen für eine potenzielle Mitarbeiterin zu bewältigen.
Dr. Kseniia Gatskova (IAB Nürnberg) ordnete die Berliner Erfahrungen in die bundesweite Erhebung der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP Studie ein. Sie verwies auch auf den internationalen Vergleich der Arbeitsmarktintegration, in dem Deutschland im Mittelfeld liege. Eine wesentliche Erkenntnis ihres Vortrags war die Sinnhaftigkeit einer auf Nachhaltigkeit angelegten Erwerbsintegration im Vergleich mit einer auf schnelle Arbeitsaufnahme fokussierten Strategie.“
Nachhaltige Arbeitsmarktintegration und die Chancen einer „KMU-Offensive“
Die Fachtagung zeigte, wie wichtig die gute Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure ist und wie gut das grundsätzlich läuft. Alle Referent*innen verwiesen auf das jeweils gute Miteinander mit den anderen Beteiligten. Die abschließende Diskussion machte zudem nochmals klar: Die Potentiale der zugewanderten Frauen werden durch eine nachhaltige, qualifikationsadäquate Arbeitsmarktintegration weitaus besser genutzt als durch eher auf Kurzfristigkeit angelegte „Jobs“. Hier bleibt abzuwarten, wie die JobTurbo-Initiative wirkt und von den Jobcentern umgesetzt wird – und wie das Projekt fem.point hier gut begleiten kann.
Wichtig ist auch, dass die kleinen und mittleren Unternehmen als ein Motor der Wirtschaft, Projekte wie fem.point oder die Angebote der Industrie- und Handels- bzw. Handwerkskammern nutzen und so Unterstützung bei der Integration der Frauen erhalten.
Fem.point wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Aktionsprogramms „Gleichstellung am Arbeitsmarkt. Perspektiven schaffen“ (GAPS).