perspektiven-schaffen.de: Welcher Impuls führte dazu, dem erlernten Beruf den Rücken zu kehren, etwas Neues zu wagen und wie kam es zu der COWOKI-Idee?
Peggy Wahrlich: Aufgrund der nicht besonders familienfreundlichen Bedingungen in der Medienbranche konnte ich für mich keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr erkennen. Außerdem erfasste mich immer häufiger die Frage nach dem Sinn meiner Tätigkeit und danach, welchem Thema ich mich in Zukunft lieber widmen möchte. Mit dieser Fragestellung konnte ich eine neue Perspektive einnehmen, was mich regelrecht beflügelt hat. Als selbstständige Requisiteurin und Mutter von zwei Töchtern habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder gespürt, wie schwer die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu realisieren ist. Damit wollte ich mich aber nicht abfinden. Also entwickelte ich die Idee, einen Coworking Space in Kombination mit professioneller Kinderbetreuung zu verwirklichen. In der Millionenstadt Köln habe ich vergeblich nach einem vergleichbaren Angebot gesucht. In Leipzig und Berlin hingegen gibt es bereits seit Jahren familienfreundliche Coworking Spaces, die mit ihrer integrierten Kinderbetreuung speziell auf Familien mit kleinen Kindern eingestellt sind. Auch wenn für mich persönlich der Bedarf an Kinderbetreuung heute nicht mehr aktuell ist, liegt mir dieses Thema sehr am Herzen.
perspektiven-schaffen.de: Haben Sie die Umsetzung des Konzepts allein gemeistert?
Peggy Wahrlich: Natürlich nicht! Zwar habe ich mit der Ausarbeitung des Konzeptes, des Businessplans und der Finanzierung als Gründerin den Stein ins Rollen gebracht. Doch es war von Anfang an klar, dass ich das nicht alleine schaffen kann und auch nicht will. Viele tolle Menschen und Netzwerke haben mich begleitet und unterstützt. Von deren Know-how lernte und lerne ich noch heute. Von Beginn an bis heute ist Melanie von Gersdorff mit im Boot und mittlerweile meine Geschäftspartnerin. Gerade in heiklen Phasen zeigt sich, was für ein großes Glück es ist, sie an meiner Seite zu haben. Gemeinsam lassen sich Täler besser überwinden und Erfolge feiern.
perspektiven-schaffen.de: Welche Hindernisse gab es zu überwinden?
Peggy Wahrlich: Auf 360 m² sollten circa 30 Arbeitsplätze, Telefonboxen, Meeting-, Coaching-, Veranstaltungs- und Kinderbetreuungsräume entstehen. Insbesondere die Herangehensweise des Bauamtes bezüglich meines Antrags auf Nutzungsänderung der Räume war sehr ausbremsend. Als Gründerin mit einem ambitionierten Vorhaben zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf hatte ich mehr Unterstützung erwartet. Durch die lange Bearbeitungszeit von ca. fünf Monaten ist ziemlich viel Zeit verloren gegangen. Auch die Auflagen des Jugendamtes stellten eine Herausforderung dar und trieben die Ausbaukosten in die Höhe. Vier Tage vor Eröffnung von COWOKI wurde dann auch noch unerwartet mein Gründungszuschuss zurückgefordert, so dass ich diesen vor Gericht einklagen musste. Zwar habe ich den Fall gewonnen, aber es hat unnötig viel Zeit und Kraft in Anspruch genommen. Während diese Dinge zu überwinden waren, gab es natürlich auch interne unternehmerische Themen, wie verzögerte Umsatzsteigerung und damit zusammenhängende Personalfragen, die zu meistern waren. Aber inzwischen sind wir seit zwei Jahren am Markt und gerade dabei, das Kinderbetreuungsangebot weiter auszubauen.
perspektiven-schaffen.de: Welchen Lernprozess mussten Sie durchlaufen, um sich in diesen umfangreichen Themenkomplex einzuarbeiten.
Peggy Wahrlich: Ich musste lernen, Geduld mit mir selbst und den Umständen zu haben, um dann Schritt für Schritt am Ball zu bleiben. Das notwendige Fachwissen habe ich mir etappenweise selbst angeeignet oder bei Bedarf eingekauft.
perspektiven-schaffen.de: Welche Vorteile haben Kundinnen und Kunden, die COWOKI Coworking plus in Anspruch nehmen?
Peggy Wahrlich: Coworking ist mittlerweile eine sehr bewährte Arbeitsweise. Sie richtet sich oft an Selbstständige, aber zunehmend auch an Unternehmen, die für ihre Angestellten besondere Vereinbarkeitslösungen schaffen möchten. Es ist eine Alternative zum eigenen Büro, zum Home-Office oder zum lauten Großraumbüro. Bei COWOKI teilen sich Menschen klar strukturierte Räumlichkeiten in angenehmer Arbeitsatmosphäre. Die interne Infrastruktur spart Kosten und schafft Synergien. Das Besondere bei COWOKI ist die angebundene Kinderbetreuung in Form einer durch die Stadt Köln geförderten Großtagespflege für Kinder unter drei Jahren. Mütter beziehungsweise Väter haben die Möglichkeit, ihre Kinder entwicklungsgerecht in der Nähe ihres Arbeitsplatzes betreut zu wissen und somit Zeit durch kurze Wege zu sparen. Der Wiedereinstieg in den Beruf wird durch die effiziente Nutzung der Arbeitszeitfenster sehr erleichtert. Und wer noch mehr Zeit sparen möchte, profitiert von unserem täglich wechselnden warmen Mittags-Buffet in Bio-Qualität.
perspektiven-schaffen.de: Können Sie erklären, warum COWOKI Coworking plus inzwischen vermehrt die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht?
Peggy Wahrlich: Ich denke, das liegt an der allgegenwärtigen Frage, wie sich Familie und Beruf besser vereinbaren lässt. COWOKI bietet eine Antwort auf diese Frage. In Zeiten in denen beide Elternteile gut ausgebildet sind und beide erwerbstätig sein wollen, greift das Alleinverdiener-Modell nicht mehr. Das ist längst bekannt, aber es gibt noch nicht genügend Modelle, die den heutigen Ansprüchen der Familien entsprechen. Beide Partner möchten in die Aufgaben der Familie eingebunden sein und sich bei der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen engagieren, ohne selbst bei der Altersvorsorge Abstriche machen zu müssen. Weitere Themen wie Teilzeit für Frauen und Männer – auch in Führungspositionen –, Job-Sharing, Home-Office, lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle sind nur einige Stichworte mit denen sich Unternehmen heutzutage befassen und Lösungen finden müssen. Insofern freuen wir uns natürlich über die Verbreitung unserer Idee durch die Medien.
perspektiven-schaffen.de: Sie sind selbst Mutter von zwei Kindern – wie schaffen Sie es, Selbstständigkeit und Familie zu vereinbaren?
Peggy Wahrlich: Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kommt sehr auf die unterschiedlichen Lebensphasen an. Zum Beispiel darauf wie alt die Kinder sind und für wen welche Jobs/Projekte wichtig oder gar zukunftsweisend sind. Ab dem Moment als ich erkannte, was für mich bezüglich meiner Entwicklung und Altersvorsorge auf dem Spiel steht, habe ich begonnen mit meinem damaligen Partner zu verhandeln. Seitdem haben wir die Verteilung der privaten und beruflichen Verantwortlichkeiten wesentlich besser aufgeteilt. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist, dass man innerhalb einer Familie alle Bedürfnisse berücksichtigt, mit Blick auf die Entwicklungsförderung jedes einzelnen Familienmitglieds. Das, worauf man sich am Ende einigt, muss ja nicht für 18 Jahre festgelegt sein. Weil allerdings noch oft alte Strukturen in Partnerschaften greifen, müssen sich Frauen meiner Meinung nach deutlich mehr für ihren Werdegang einsetzen und die Möglichkeiten hierfür einfordern. Für mich war es ein Prozess, in den ich Schritt für Schritt hineingewachsen bin und der immer selbstverständlicher wurde. Mein Tipp: flexibel sein und bleiben und in Lebensabschnitten denken.