Interview Berufliche Orientierung und erfolgreiche Berufswegeplanung für Frauen in Berlin

Christiane Steiner gestikuliert, hinter ihr sieht man, dass eine Präsentation an die Wand geworfen wird
© BERIT, Chiara Ferraù

perspektiven-schaffen.de: Seit wann bietet BERIT Beratungsangebote für Frauen an und was verbirgt sich hinter dem Namen?

Christiane Steiner: Das Projekt BERIT bietet seit 2004 Beratungsangebote zu den Themen Beruf, Bildung und Beschäftigung an. Unser Beratungszentrum befindet sich am Kottbusser Damm 79 in Berlin Neukölln und wir beraten Frauen zu ihrer beruflichen Orientierung und erfolgreichen Berufswegeplanung.

  • Das BER in unserem Namen steht für Beratung, Berufsorientierung, Entwicklung von Berufsperspektiven, Bewerbungsstrategien und Bildungsberatung.
  • Das IT steht für digitale Kompetenzen, die wir als Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und berufliche Entwicklung ansehen. Wir unterstützen Frauen dabei, Wege zur Aneignung und zum Ausbau ihrer digitalen Kompetenzen zu finden.

perspektiven-schaffen.de: BERIT gehört dem Beratungsnetzwerk „Berufsperspektiven für Frauen“ an. Welche Beratungsangebote und -schwerpunkte bietet das Beratungsnetzwerk?

Christiane Steiner: Ziel des Beratungsnetzwerkes ist es, ein niedrigschwelliges, qualitativ hochwertiges Beratungsangebot zu Beruf, Bildung und Beschäftigung für Frauen in Berlin anzubieten. Das Beratungsangebot richtet sich an alle Frauen in ihrer individuellen und beruflichen Vielfalt*. Die individuelle Beratung ist trägerneutral, vertraulich und ergebnisoffen gestaltet. Jede Beratungseinrichtung bietet das kostenfreie Angebot einer Informations- und Orientierungsberatung zu Beruf, Bildung und Beschäftigung an.

Darüber hinaus gibt es Beratungsangebote zu spezifischen Fragestellungen, die schwerpunktmäßig von bestimmten Projekten des Netzwerks übernommen werden. Themen sind hier zum Beispiel:

  • Beratung zu Konflikten am Arbeitsplatz / Mobbing,
  • Beratung zum beruflichen Wiedereinstieg nach Krankheit,
  • Rechtsinformation zu Sozial- und Arbeitsrecht, Arbeitslosengeld II und Leistungen der Arbeitsförderung gem. SGB II und III,
  • Beratungsangebote zur Stärkung der beruflichen Handlungsfähigkeit in digitalisierten Arbeitswelten.

Der letzte Punkt, die Stärkung der digitalen Kompetenzen, ist insbesondere ein Beratungsschwerpunkt unseres Projektes BERIT. Wir sehen eine Zunahme von Beratungsanliegen zu Beruf, Bildung und Beschäftigung infolge der Digitalisierung in der Arbeitswelt. Hierzu zählen Anfragen zu erforderlichen Weiterbildungen und Kompetenzerfordernissen sowie Fragen zu den Herausforderungen für die neuere Arbeitswelt.

perspektiven-schaffen.de: Welche Kosten kommen auf Frauen zu, die das Beratungsangebot nutzen möchten?

Christiane Steiner: Die Projekte des Beratungsnetzwerks werden von der Senatsverwaltung Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Abteilung Frauen und Gleichstellung in Berlin gefördert und unterstützen den gleichstellungspolitischen Auftrag im Land Berlin zur Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt, insbesondere zu den Fragen Beruf, Bildung und Beschäftigung. Die Angebote des Beratungsnetzwerks sind kostenfrei zugänglich, nur in einigen Fällen wird für ergänzende Angebote ein geringer Beitrag erhoben.

perspektiven-schaffen.de: Was bedeutet ‚niedrigschwellig‘ in Bezug auf die Beratungsangebote?

Christiane Steiner: Niedrigschwellig heißt für die Beratungsprojekte des Netzwerks unter anderem:

Einfache Zugänglichkeit des Angebots und schnelle Terminvereinbarung

Beratungskundinnen können direkt vor Ort, telefonisch oder per E-Mail Informationen erfragen oder Termine vereinbaren. Das Netzwerk bietet ein gemeinsames kostenloses Beratungstelefon „Berufsperspektiven für Frauen“ an. Die Beratung zu Beruf, Bildung und Beschäftigung ist verlässlich von Montag bis Freitag in der Zeit von 10:00 bis 16:00 Uhr telefonisch über die kostenfreie telefonische Infoline zu erreichen, auch hier ist eine Terminvereinbarung und eine direkte Kurzberatung möglich. Zusätzlich informieren die Website des Beratungsnetzwerks www.frauen-berufsperspektive.de und die Websites der beteiligten Einrichtungen über das Beratungsangebot, die Öffnungszeiten, die Anmeldung und über die Terminvereinbarung.

Angepasste Beratungssettings an die Bedürfnisse der Ratsuchenden

Beratungen werden in unterschiedlichen Settings durchgeführt: als telefonische Kurzberatung, mobile Beratung, Face-to-Face-Beratung, Gruppenberatung, Informationsveranstaltung, Workshop, Zusatzformate sowie ortsunabhängig per Video-Chat und E-Mail-Kommunikation.

Angepasste Beratungsformate an die Bedürfnisse der Ratsuchenden

Gute Beratung ist einerseits divers und bietet Unterstützung bei einer Vielfalt von Beratungsanliegen, Lebenslagen und situativen Bedingungen. Gute Beratung versteht sich andererseits als integrierend und vermeidet eine Parzellierung der Beratung zum Nachteil der Ratsuchenden. Der Wechsel von Formaten (informierende Beratung, Orientierungsberatung, Coaching, Fachberatung, Kompetenzbilanzierung, Training) wird durch die professionelle Flexibilität der Beraterinnen in Bezug auf Beratungsanliegen, die Kooperation und den Verweis an Kolleginnen in der Beratungseinrichtung, im Beratungsnetzwerk und in der Berliner Bildungsberatung gewährleistet.

perspektiven-schaffen.de: Warum richten sich die Beratungsangebote von BERIT und dem Beratungsnetzwerk speziell an Frauen?

Christiane Steiner: Trotz einer gestiegenen Frauenerwerbsquote stagniert der Zuwachs von Frauen am Erwerbsvolumen, trotz guter Bildungsabschlüsse gibt es eine deutliche Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern. Familienbedingte Erwerbsunterbrechungen können sich nachteilig im Lebensverlauf auf Entlohnung, Aufstiegschancen und die spätere Alterssicherung auswirken. Hiervon sind überwiegend Frauen betroffen. Auch zeichnet sich ab, dass sich die gesellschaftlichen Digitalisierungsprozesse unterschiedlich auf Frauen und Männer auswirken. Stichwort: Digital Gender Gap.

Der Zugang zu digitalen Ressourcen, zum Beispiel technischer Ausstattung oder den Möglichkeiten des Kompetenzerwerbs wird für Frauen mit überwiegend diskontinuierlichen Erwerbsbiografien zu einer der wichtigsten Herausforderungen in der zukünftigen Arbeitswelt gehören. Merkmal der frauenspezifischen Fachberatung zu Beruf, Bildung und Beschäftigung ist, dass Gender- und Diversity-Standards in der Bildungsberatung umgesetzt werden. Es geht um Chancengleichheit in Arbeits- und Bildungsprozessen, die für verschiedene Gruppen von Frauen mit Armutstendenzen einhergehen.

Die verschiedenen Beratungsprojekte sehen es als ihre Aufgabe an, Frauen dabei zu unterstützen, sich mit individuell wahrgenommenen Benachteiligungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und in ihrer beruflichen Entwicklung auseinanderzusetzen und ihre Konflikt-, Strategie- und Durchsetzungsfähigkeit zu stärken. Gleichzeitig sind immer wieder die Rahmenbedingungen und (Denk-)Verhältnisse, die geschlechtsspezifische Benachteiligungen begünstigen oder herstellen, in den kritischen Blick zu nehmen und in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Ziel ist die Verwirklichung gleichgestellter Teilhabe von Frauen an der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und der wirtschaftlichen Entwicklung. Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen sowie geeignete Beratungsangebote stellen hierfür Schlüsselfaktoren dar.

perspektiven-schaffen.de: Frau Steiner, herzlichen Dank für diesen informativen Einblick in Ihre Arbeit!

* Bezogen auf das Leitbild zur Gleichstellung im Land Berlin werden in Einzelfällen auch Männer und Menschen mit weiteren Geschlechtsidentitäten beraten.