Interview mit Finanzexpertin Carola Ferstl Frauen, kümmert Euch um Eure Finanzen!

Porträt Carola Ferstl
© Malou Pentzien

perspektiven-schaffen.de: Viele Frauen schieben das Thema Finanzen und damit oft auch das Thema Altersvorsorge vor sich her. Was ist Ihrer Erfahrung nach der Grund dafür?

Carola Ferstl: Frauen glauben häufig, dass das Thema viel zu kompliziert ist und Zahlen eh nicht so ihr Ding sind. Das ist aber natürlich ein großer Fehler. Der „innere Schweinehund“ muss einmal überwunden werden, wie bei einer Diät oder beim Sport zum Jahresanfang.

perspektiven-schaffen.de: Sie haben selbst mehrere Male beruflich ausgesetzt. Warum sind Sie verhältnismäßig schnell wieder in Ihren Beruf zurückgekehrt?

Carola Ferstl: Ich bin Mutter von drei Kindern und bei jedem habe ich einige Monate ausgesetzt. Beim ersten Kind neun Monate, danach bei den beiden wurden die Abstände kürzer – weil ich einfach besser organisiert war und auf eine gute Infrastruktur zurückgreifen konnte. Mir fiel einfach die Decke auf den Kopf. Ich habe meinen Job schon vor den Kindern gerne gemacht und wollte einfach wieder arbeiten.

perspektiven-schaffen.de: Frauen, die lange aus dem Beruf aussteigen, um sich Kindern oder zu pflegenden Angehörigen zu widmen, verzichten manchmal auf ein eigenes Konto. Was sagen Sie als Finanzexpertin dazu?

Carola Ferstl: Wenn eine Frau das tut, kommt es mir vor, als wäre sie von allen guten Geistern verlassen. Denn selbst wenn sich eine Frau “nur” um Haushalt und Kinder kümmert, hat ihre Arbeit ja einen Preis, einen Wert. Es geht um die Wertschätzung dieser Arbeit. Allerdings sollten Frauen bedenken, dass sich eine längere Erwerbsunterbrechung negativ auf die eigene Alterssicherung auswirkt, deshalb sollten sie genau prüfen, ob sie nicht doch gegebenenfalls früher als geplant wieder eigenes Geld verdienen wollen.

perspektiven-schaffen.de: Sie haben mal gesagt, Geld bedeutet Freiheit. Was heißt das genau?

Carola Ferstl: Ja. Aber lassen Sie mich noch einen Satz sagen zum eigenen Konto für die Frauen. Das muss natürlich immer den familiären Verhältnissen angepasst sein. Wenn nur ein Partner Geld verdient und die finanziellen Verhältnisse einer Familie durch ein enges Budget angespannt sind, ist die Forderung nach dem eigenen Konto vielleicht unverhältnismäßig. Da ist Familienzusammenhalt gefordert. Geld bedeutet Freiheit – aber selbstverständlich den Umständen entsprechend, in denen man lebt. Ob eigenes Konto oder nicht – wichtig ist, dass Frauen sich ums Geld kümmern.

perspektiven-schaffen.de: Wenn in einer Partnerschaft der eine Teil – bisher meistens die Frau – die eigene Berufstätigkeit reduziert, um Familienaufgaben zu übernehmen, was könnte dann der/die Partner/in als Ausgleich machen?  

Carola Ferstl: Wichtig ist, dass Frauen/Männer, die sich um Haus-Arbeit und Kinder kümmern, Geld haben, über das sie frei verfügen können. Geld, mit dem eine Frau oder ein Mann machen kann, was sie/er will und das wirklich für persönliche Dinge ausgeben werden sollte und nicht für Kinderschuhe, wie es ja oft der Fall ist.

perspektiven-schaffen.de: Welche Tipps geben Sie Frauen beziehungsweise Paaren, damit das Thema Finanzen einen guten Platz in ihrer Partnerschaft hat?

Carola Ferstl: Paare sollten sich einfach trauen, über Finanzen zu reden. Es hat nichts mit Lieblosigkeit, sondern mit Verantwortung füreinander zu tun. Sie könnten zum Beispiel einen fixen Termin vereinbaren, an welchem das Thema Finanzen auf den Tisch kommt. Einmal im Monat sollte reichen, um über die wichtigen Dinge zu sprechen.

perspektiven-schaffen.de: Manchmal hört man noch die Äußerung, dass Frauen angeblich nicht mit Geld umgehen können. Was sind Ihre Erfahrungen als Finanzexpertin hierzu?

Carola Ferstl: Das ist natürlich Quatsch. Ich würde aus meiner Erfahrung sagen, dass sie sich zu wenig zutrauen. Doch dazu besteht kein Grund. Im Gegenteil: Für mich sind Frauen viel bessere Unternehmerinnen, sie agieren sehr umsichtig. Ich beschäftige mich gerade viel mit Mikrofinanzen und da sind die Hauptkreditnehmer:innen in der Regel Frauen.

perspektiven-schaffen.de: Welche Weichen sollten Frauen stellen, damit Finanzthemen für sie selbstverständlich werden und natürlich auch gut laufen?

Carola Ferstl: Kurz gesagt, früh anfangen, das Thema Geld auch in die Kindererziehung mit einbauen, ein eigenes Konto so früh wie möglich und, wie oben besprochen, in der Familie über Finanzen sprechen. Themen können hier beispielsweise sein: Wenn einer der Partner nicht arbeitet, können Paare vereinbaren, dass der oder die andere einen Sparplan bespart, quasi als finanzielle Wertschätzung, auf den dann die Partnerin beziehungsweise der Partner allein Zugriff hat.

Auch mit Kindern kann ein gemeinsames Geld-Gespräch vereinbart werden. Altersgerecht können zum Beispiel Anlage-Ideen vorstellt werden. Ab dem Teenager-Alter kann es auch interessant sein, wenn Eltern ihnen die Kurse bekannter Aktien oder entsprechende Informationsmöglichkeiten erläutern. Ein eigenes (Aktien)-Sparkonto kann Kindern helfen, selbstverantwortlich mit kleinen Beträgen umzugehen und zu lernen, eigene Entscheidungen zu treffen.

perspektiven-schaffen.de: Über 70 Prozent der Frauen in Deutschland sind erwerbstätig. Führen Frauen Ihrer Meinung nach optimale Gehaltsverhandlungen?

Carola Ferstl: Immer noch stellen Frauen ihr Licht unter den Scheffel und trauen sich nicht zu fordern, was ihre Arbeit wert ist. Verhandlungstraining und Vergleichs-Plattformen schaffen hier aber Abhilfe.

perspektiven-schaffen.de: Sie arbeiten eng mit dem World Economic Forum, Genf, zusammen und gründeten 2008 den Verein »Learn Money e. V.«, um Kindern Finanz-Bildung zu vermitteln. Welche Themen vermitteln Sie den Kindern und Jugendlichen?

Carola Ferstl: Geld-Bildung, aber mehr und mehr auch die sogenannten „Future Skills“, also die Fähigkeiten, die man braucht, um in der heutigen Creator– und Aufmerksamkeits-Ökonomie mitspielen zu können. Digitale und soziale Komponenten kommen hier zur Geld-Bildung dazu.

perspektiven-schaffen.de: Welche Lehren für Finanzthemen ziehen Sie aus der Corona-Pandemie?

Carola Ferstl: Das Interesse ist da, während der Pandemie fanden viele die Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Viele mussten es tun, da die finanziellen Grundlagen weggebrochen sind. Ich hoffe, dass das ein Bewusstsein geschaffen hat, dass es kein Hexenwerk ist, sondern dass es um Wissen geht, das man sich aneignen kann.

perspektiven-schaffen.de: Haben Sie Tipps zu Finanzthemen und finanzieller Unterstützung in der Pandemie, insbesondere für Frauen?

Carola Ferstl: Im Internet werden Seminare zu dem Thema angeboten und auch ich coache Frauen in Sachen Geld und Finanzen und zeige ihnen, wie man ganz entspannt seine finanzielle Situation in den Griff bekommt.

perspektiven-schaffen.de: Frau Ferstl, herzlichen Dank für das Interview.