Studie des DIW Berlin Eltern: Wunsch und Wirklichkeit bei der Erwerbs- und Sorgearbeit

Frau und Mann von hinten, die ein kleines Kind, das in ihrer Mitte läuft, an den Händen halten.
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Die Arbeitsmarktforschung zeigt, dass Elternschaft die geschlechtsspezifische Ungleichheit verstärkt. So liegt ein wesentlicher Grund für die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt in der Verteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit. Die für die Studie des DIW ausgewerteten Daten des familiendemografischen Panels FReDA („Family Research and Demographic Analysis“) zeigen, dass viele Eltern zwar eine gleichberechtigte Verteilung anstreben, die Realität jedoch oft von traditionellen Rollenmustern geprägt ist.

Ungleiche Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit

In vielen Familien übernehmen Mütter nach wie vor den Großteil der Sorgearbeit, während Väter häufig die Hauptverantwortung für das Familieneinkommen tragen und seltener bzw. kürzer Elternzeit in Anspruch nehmen. Diese traditionelle Rollenverteilung ist besonders ausgeprägt bei Familien mit kleinen Kindern. Mütter kehren nach ihrer Elternzeit häufiger in Teilzeit auf den Arbeitsmarkt zurück oder steigen sogar ganz aus dem Berufsleben aus.

In Westdeutschland leben Paare mit Kindern am häufigsten nach dem sogenannten Zuverdiener- oder Familienernährermodell. Das bedeutet, dass eine Person in der Familie einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, während die andere Person in Teilzeit oder nur geringfügig beschäftigt ist oder gar nicht erwerbstätig ist. In den meisten Fällen arbeitet der Vater in Vollzeit, während die Mutter ihre Erwerbstätigkeit reduziert. Auch in Ostdeutschland leben viele Paare nach dem Zuverdienermodell, wählen der Studie zufolge jedoch im Gegensatz zu Westdeutschland häufiger auch das universale Erwerbstätigenmodell, bei dem beide Elternteile in Vollzeit erwerbstätig sind.

Die Einstellungen der Bevölkerung zur Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit sind insgesamt wesentlich egalitärer, als es tatsächlich in der Realität gelebt wird. Im Väterreport 2023 gibt zum Beispiel die Hälfte der Väter an, dass Mütter und Väter sich idealerweise gleichberechtigt um die Kinderbetreuung kümmern sollten – in der Realität ist das nicht der Fall.  

Strukturelle Gründe für die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Doch wie kommt es zu der Abweichung von den eigenen Idealvorstellungen? Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben individuellen Aspekten sprechen einige strukturelle Gründe dafür, dass vor allem das Zuverdienermodell so häufig gelebt wird. Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen es vielen nicht, die gewünschte Arbeitszeit umzusetzen. So macht die Studie deutlich, dass der nach wie vor bestehende Gender Pay Gap und die damit einhergehenden durchschnittlichen Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern weiterhin Anreize für das Zuverdiener- und das Familienernährermodell setzt. Das deutsche Steuer- und Transfersystem setze außerdem finanzielle Anreize, die diese Modelle für viele verheiratete Paare attraktiver machen. So wird den Studienautorinnen und -autoren zufolge das traditionelle Modell gefördert, bei dem die Mutter länger aus dem Berufsleben aussteigt oder ihre Arbeitszeit reduziert, während der Vater weiterhin vollzeitbeschäftigt bleibt. Aber auch strukturelle Umstände wie die Betreuungsinfrastruktur für Kinder unter drei Jahren und fehlende Ganztagsplätze spielen eine wesentliche Rolle für die ungleiche Verteilung.

Änderungen im Steuer- und Transfersystem und Ausbau der Kindertagesbetreuung

Um die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit von Eltern bei der Erwerbs- und Sorgearbeit zu verringern und geschlechtsspezifische Ungleichheiten abzubauen, sind der Studie zufolge politische Maßnahmen erforderlich. So bedürfe es Änderungen im Steuer- und Transfersystem, um das Erwerbsvolumen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu steigern. Reformvorschläge zum Ehegattensplitting und zu den Minijobs lägen bereits vor. Außerdem sei es notwendig, das Kinderbetreuungsangebot auszubauen und eine bedarfsgerechte Betreuungsinfrastruktur sicherzustellen.